In der Sorge um mich, im Umgang mit den anderen, immer stellt sich die Frage: was heißt es „Ich“ zu sein, was heißt es „Mensch“ zu sein? Selbstverwirklichung, Glück, Zufriedenheit, alles ruht auf der Vorstellung davon, wer ich bin und sein kann. Mein Menschenbild bestimmt, was ich wahrnehme und wonach ich mich ausrichte. Theorien gibt es viele. Es macht einen entscheidenden Unterschied, welcher ich folge.
Je nach Theorie ergeben sich völlig unterschiedliche Anforderungen: Soll „Ich“ werden, wo „Es“ war? Muss ich meine innere Familie zusammenhalten, meine „Ego States“ kennen? Soll ich mein Nervensystem regulieren, dem Wort Gottes folgen, den Geschlechterkampf führen? Mich selbst aktualisieren? Die Ahnen befragen? Marxistisch denken oder kapitalistisch?
Welcher Theorie ich auch folge: sie bestimmt meine Wahrnehmung und Ausrichtung.
Auch die Traumaphilosophie hat ihr Leitbild. Es ist das Bild, das sich uns bietet, wenn wir in den Kosmos hinausblicken. Der Blick ins Außen als Blick ins Innen.
Im Zentrum unserer Galaxie hält ein unheimliches schwarzes Loch ganze Sonnensysteme zusammen und zerstört zugleich alles, was in seine Nähe kommt. Bildlich vergleichbar wirkt im Innersten unserer Existenz ein dunkles Trauma, um das herum sich unsere Persönlichkeit spiralförmig dreht.
Dieses Trauma ist der Tod, der Prozess des Sterbens, der uns unaufhaltsam und unerbittlich in sein dunkles Loch zieht. Als Menschen spüren wir die Vorahnung der drohenden Vernichtung, wir können das Sterben spüren, in der traumatischen Emotion, in der Zurückweisung unserer Liebe, in der Einsamkeit.
Wir widerstehen der Gravitation dieses dunklen Attraktors durch Fliehkraft. Wir leben den pragmatischen Alltag, tun was zu tun ist, richten den Blick nach vorne und leben einen Glauben, eine „Persona“.
Aber manchmal kommen wir dem dunklen Feuer zu Nahe. Der Alltag erzeugt nicht den nötigen Schwung, der Glaube wird fragwürdig. Dann heißt es: Sein oder Nicht-Sein. Das sind die Momente der existenziellen Singularität. In diesen Momenten finden wir, was uns wirklich trägt, wofür es sich zu leben lohnt, woher die Kraft kommt, der Gravitation zu widerstehen. Entweder wir finden eine Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ oder das Dunkel zieht uns hinab.
Lebenserfahrung bedeutet, diese Momente zu kennen. Existenzielle Tiefe bedeutet, diese Momente zu transformieren, sich von ihnen transformieren zu lassen. Weisheit bedeutet, die Antwort in der Liebe zu finden.
Liebe aus der Kraft des Traumas kennt das Dunkel in allen Wesen. Wo diese Liebe geteilt wird, ist sie das größte Geschenk, das wir einander machen können: Berührung im Bewusstsein der Vergänglichkeit.
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